Gutshäuser der Region – heute: Klein Nienhagen

OZ - Freitag, 08. Februar 2008 | Neubukow und Kröpelin HISTORIE
 

Sie haben Jahrhunderte auf dem Buckel und könnten sicher so manche Geschichte erzählen. Doch viele Gutshäuser verbinden auch Tradition und Moderne, manche haben interessante Nutzungskonzepte. In einer neuen Serie stellt die OZ diese historischen Schätze vor. Zum Auftakt heute das Gut Klein Nienhagen. Klein Nienhagen Für Bianca (44) und Jan Glöe (51) war es Liebe auf den ersten Blick. „Land und Leute haben uns von Anfang an begeistert.“ Jahrelang hatte das Paar eine Wochenendehe geführt. Jan Glöe arbeitete in Rostock, Bianca Glöe in Kiel. Zum Ausklang der Woche trafen sich beide in ihrer damaligen Heimat, in Schleswig-Holstein. „Wir haben ein Haus in der Region zwischen Rostock und Wismar gesucht. Eigentlich nur etwas, wo wir selbst leben und zur Jagd gehen können. Und Platz für Pferde sollte sein.“ Im November 1996 stand der Besichtigungstermin in Klein Nienhagen an. „Für mich war sofort klar, dass das der Ort ist, an dem ich alt werden will. Irgendwie hat er etwas, eine besondere Ausstrahlung. Auch wenn damals am Stall kein einziges Fenster heil war“, erinnert sich Bianca Glöe. „Wir haben den Hof getrennt von einander gesehen, wollten später gemeinsam überlegen. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir uns beide längst in das Haus verliebt.“ Schnell war klar, dass der Gutshof zu groß ist, um ihn allein zu bewohnen. Ein Nutzungskonzept musste her. „Das war nicht so einfach, denn noch immer sind wir beide voll berufstätig.“ Die Entwicklung zum Ferienhof wurde in mehreren Etappen vollzogen. Als Familie Glöe im Mai 1997 auf den Hof kam – zunächst konnte das Areal lediglich von der Gemeinde gemietet werden – waren noch mehrere Zimmer bewohnt. „Glücklicherweise. So wurde das Gebäude wenigstens teilweise stets beheizt“, sagt Bianca Glöe. Der Startschuss für das Mamutprojekt fiel mit der Renovierung des Nordflügels. Heizung- und Sanitäranlagen wurden erneuert, teilweise andere Fenster eingesetzt. Damit war die Ära von Ofen und Kohle Geschichte. Doch alles nicht mehr als ein Anfang. Erst im folgenden Jahr konnten die neuen Gutsherren den Besitz kaufen. Bis dato hatten die Nachfahren des letztes Besitzers, Ferdinand Graf von Polier, noch so genannte Restitutionsansprüche; will heißen: die Erbengemeinschaft forderte die Rückübertragung. Nun begann Familie Glöe mit dem Löwenanteil der Baumaßnahmen: In Abstimmung mit der Denkmalpflege wurden zwei Flügel auf der Rückseite des Haupthauses abgetragen, die hintere Fassade neu gestaltet. Die Mittelachse wurde umgebaut, mit den Steinen des ehemaligen Schafstalls eine Freitreppe, die heute in den Park führt, errichtet. Eine 280 Quadratmeter große Terrasse wurde geschaffen. Sie wird vor allem für Hochzeitsfeiern oder Familienfeste genutzt. Im Gutshaus stehen zwei Ferienwohnungen zur Verfügung. Auf den Außenanlagen wurde klar Schiff gemacht, zahlreiche kleine Ställe abgerissen. „Nach dem Krieg wohnten bis zu 16 Flüchtlingsfamilien im Haus. Alle hatten noch einen Schuppen“, berichtet Bianca Glöe. Das Gästehaus, ehemaliges Wirtschaftsgebäude des Guts, wurde wiederhergestellt. Schon nach kurzer Bauzeit, Anfang 1999, fanden die ersten Urlauber eine Herberge in den zwei Ferienwohnungen. Heute verbindet das Gästehaus Klassik und Moderne. Wo inzwischen vier Ferienwohnungen eingerichtet wurden, sind noch immer die uralten, handgearbeiteten Balken zu sehen. Gleichzeitig trägt das Gebäude mit der Eingangstür und dem wiederhergestellten Tor einige typische Stilelemente Schleswig-Holsteins. „Jeder Besitzer sollte irgendwo seine Handschrift hinterlassen“, findet Bianca Glöe und weist dabei auf die ochsenblutrote Fassadenfarbe und die grün-weißen Fenster hin. Mit viel Sorgfalt wurde die Remise rekonstruiert. „Das Haus hatte überall Löcher“, berichtet Frau Glöe. „Die alten, historischen Rundfenster waren in der DDR-Zeit entfernt worden.“ Die Remise bekam wieder ihr altes Gesicht: Die Rundbögen, gemauert aus alten Steinen, kehrten zurück. Anhand der Sparrenbreite erkannten Jan Glöe, dass einst ein Reetdach Schutz geboten hatte. Es wurde wieder aufgebaut. Inzwischen kommt der Remise eine ganz neue Nutzung zu: Während das Haus in Besitz des Grafen Herberge der Arbeitspferde; zu DDR-Zeiten kombiniertes Stall- und Wohngebäude war, ist es jetzt im Sommer vorrangig ein Gutshof-Café. Es wird zu kulturellen Veranstaltungen geladen. Demnächst soll ein kleiner Seminarraum entstehen, in dem unter anderem Schulungen im Rahmen der Reiterausbildung stattfinden sollen. Ein Kraftakt war die Sanierung des Stalls, der 1913 gebaut wurde. „Zu DDR-Zeiten hatte er sehr gelitten. Der Stall wurde in Zusammenhang mit der Bewirtschaftung der LPG Altenhagen als Lager genutzt“, weiß die Gutsherrin. Weil die Eingänge für die großen Maschinen zu klein waren, wurden die historischen Torbögen beschädigt. Nur mit Hilfe alter Aufnahmen konnten diese wieder rekonstruiert werden. Heute ist der Stall nicht nur das Domizil zahlreicher Pferde, die auf dem ehemaligen Rittergut leben, sondern bietet auch viel Platz für Urlauber. Acht Ferienwohnungen wurden auf dem Kornspeicher ausgebaut. Damit bringt es der Hof unterm Strich insgesamt auf 14 Urlaubsappartments. Ein großzügig geschnittener Raum bietet bei Veranstaltungen Platz für 150 Personen. Ein Heuhotel wurde zudem errichtet, zurzeit entsteht auf dem Boden eine Holzhäuschenlandschaft, die bis zur Hauptsaison fertig sein soll. Zehn Jahre nach dem Kauf des Guts Klein Nienhagen zieht Familie Glöe ein positives Resümee: „Die Gutshofanlage hat sich zu einem beliebten Ferien- und Pferdehof entwickelt“, sagten die Gutsherren. Die Innenhofanlage ist inzwischen weitestgehend saniert, lediglich an der rückwärtigen Außenhülle fehlt noch der letzte Schliff. Vorgesehen ist außerdem der Bau einer Reithalle, der noch in diesem Jahr realisierst werden soll. Doch Jan und Bianca Glöe setzen sich nicht unter Zeitdruck, wissen beide: So ein Besitz ist eine Lebensaufgabe. Schlichtes Haupthaus 1923 aufgestockt Irgendwann zu DDR-Zeiten war die schmiedeeiserne Ziffer „2“ am Giebel des Gutshauses von Klein Nienhagen abgefallen. Nicht wenige Besucher stellte die nunmehr unvollständige Jahreszahl vor ein Rätsel. Die meisten tippten auf das Jahr 1913 als Entstehungszeit des Hauses, zumal auch das imposante Stallgebäude auf dem Hof aus diesem Jahre stammt. – Ein Fehler, wie sich herausstellen sollte, denn in den neunziger Jahren wurde ein altes Foto gefunden, auf dem zu erkennen war, dass „1923“ am Giebel gestanden hatte. Dementsprechend wurde die Jahreszahl bei der Sanierung ergänzt und kündet nun wieder von der erstaunlichen Tatsache, dass der damalige Gutsbesitzer, Ferdinand Graf von Polier, im schlimmsten Jahr der Inflationszeit in der Lage war, sich dieses schöne Herrenhaus zu errichten. Es handelt sich um einen zweigeschossigen Putzbau mit hohem Walmdach. Die beiden äußeren Achsen der Hauptfront sind durch Wandvorlagen (so genannte Lisenen) gerahmt und durch ein leichtes Vorziehen des Daches betont. Besonders hervorgehoben ist der Mittelteil des Gebäudes mit dem reich ausgestalteten Haupteingang und dem alles bekrönenden Staffelgiebel. Trotz der aufwendig gegliederten Fassade ist das Bemühen des namentlich nicht bekannten Architekten um eine klare, sachliche Formensprache zu erkennen. Sie vereint barocke und klassizistische Elemente ebenso wie Anklänge an den aktuellen Zeitgeschmack. Mit seiner Entstehung im Jahre 1923 stellt das Gebäude eines der jüngsten Gutshäuser im Landkreis dar. Dies gilt allerdings nur für sein äußeres Erscheinungsbild, denn bei der Erbauung wurden offenbar Teile des eingeschossigen Vorgängerbaues, eines sehr schlichten Gutshauses aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, übernommen. ALEXANDER SCHACHT CHRISTINE BORGWALD

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